Sonntag, 29. Oktober 2017

Der Anfang steigert sich...

18.09. - 24.09.2017

So sieht's in der Nähe unserers Häusschens aus.
Nach dem wöchentlichen Ghost town Monday ging für mich eine vorerst normale Arbeitswoche los, wenn ich das so sagen kann - normal ist hier ja irgendwie selten etwas für mich.
Meine Arbeit im Waisenhaus macht mir immernoch sehr viel Spaß, die Kinder sind super aufgeweckt, manchmal echt frech aber trotzdem wirklich toll. Auch die Caretakerinnen und meine Chefin sind interessante und freundliche Menschen. Beim Unterrichten der Kinder morgens kommt es schon ab und zu mal vor, dass meine Nerven sehr strapaziert werden, wenn ich neben den fünf 4-5 Jährigen, die ich unterrichten soll, auch noch 7 Zweijährige im gleichen Raum zu beaufsichtigen habe. Meistens helfen mir die anderen Caretakerinnen aber bestmöglich dabei, die Kinder zu beschäftigen und nach ihnen zu sehen. Die angewandte Pädagogik ist etwas, an das ich mich bis jetzt noch nicht gewöhnt habe und oft hoffe ich auch darauf, dass ich mich niemals daran gewöhnen werde. Mir fällt es schwer die Prinzipien der sehr physisch geprägte Erziehung zu verstehen, aber ich kann durch diese Erfahrung viel reflektieren und lernen.

Herzlich Willkommen im afrikanischen Auenland :-)
Am Donnerstagmorgen bracht ich aber dann mal meine Gitarre mit ins Waisenhaus. Am Tag zuvor hatte ich mir einige englische Kinderlieder angeeignet und so sangen wir alle zusammen. Die Kinder und Caretakerinnen zeigten mir weitere Lieder, die sie normalerweise zusammen singen und waren sehr interessiert an den Texten der Stücke, die ich mitgebracht hatte. Natürlich wollte auch jedes Kind mal die Gitarre spielen - und insgeheim bin ich sehr froh darüber, dass mein Instrument diesen Tag überlebt hat ;-)
Eine Entdeckung habe ich schon bei unseren Nachbarskindern machen dürfen: Ein Instrument ist etwas sehr besonderes hier. Viele der Kinder hatten noch nie zuvor eine Gitarre oder Geige (Christina hat ja ihre Geige dabei) gesehen. Sie wissen oft nicht wie man die Instrumente spielt oder gar, wie sie klingen können. Ich liebe es, anderen Menschen - besonders Kindern - ein für sie neues Instrument zeigen zu können. Die Konzentration und Ruhe, die manche der Kinder hier aufbringen um die Saiten zu "streicheln" und das Strahlen der Gesichter das selbsterzeugten Tönen folgt, beeindruckt mich sehr und macht mich wirklich glücklich.
Nachmittags waren Christina und ich dann bei Father Olliver im Bishofshaus um unser Verpflegungsgeld für den nächsten Monat abzuholen. Da wir einige Zeit im Empfangsbereich warten mussten und die dafür zuständige junge Sister sehr interessiert an meiner Gitarre war, wurde aus der Wartezeit eine spontane Jam-Session. Ein Father, der ebenfalls etwas im Bischofshaus abholen wollte, grub dann auch sein Musikwissen aus und unterhielt uns alle mit wunderschöner Musik - vor allem da ich das Lied von Zuhause in Deutschland kenne...
Pastoral Center Kumbo - kirchliches Seminarhaus

Jesus Christ, You are my life,
halleluja, halleluja,
Jesus Christ, You are my life,
you are my life, halleluja...

und

...gehet nicht auf in den Sorgen dieser Welt, suchet zu erst Gottes Weite, und alles andere wird euch dann zu geschenkt, hallelluja, halleluja...

Und dann haben wir schließlich auch das erste Mal Geld erhalten, von dem wir uns unser Essen und Leben finanzieren - in Erinnerung bleibt aber vor allem der lustige Nachmittag mit der Musik im Bischofshaus.

Und täglich grüßt die unberechenbare Kuh...
Für den Freitag war ein "Peaceful march for Independence" angesetzt. Da nicht ganz sicher war, wie die Sicherheitslage an diesem Tag aussehen würde, bzw. ob Fahrzeuge fähig sein würden sich frei zu bewegen, wurde mir von meiner Chefin gesagt, dass ich an diesem Tag zuhause bleiben solle. Christina war am Freitagmorgen kurz bei der Arbeit, kam aber auch bald wieder zurück, da einige Straßen Kumbos anscheinend blockiert gewesen sein müssen und es tatsächlich kein durchkommen gab. Von den Vorkommnissen unten in der Stadt bekamen wir zu diesem Zeitpunkt relativ wenig mit, da wir hier oben auf dem Schulgelände etwas außerhalb des Hauptgeschehens lagen und die Ruhe genießen konnten. Erst am nächsten Tag erfuhren wir, dass der "Peaceful march" doch nicht ganz so "peaceful" (= friedlich) war, wie erhofft. Schüsse und Tränengas soll es im Verwaltungsbezirk, Tobin, an diesem Tag gegeben haben. Diese Vorkommnisse zeugen von einer weiteren Eskalationsstufe des anglophonen-francophonen Konfliktes hier in Kamerun.

Am Samstag nachmittag besuchten Christina und ich die Chorprobe des Jugendchors der Kathedrale. Die Jungs und Mädels proben hier zur Zeit jeden Tag, außer an Sonn- und Ghost town-Tagen. Und dementsprechend gut war auch die anderthalbstündige Probe an diesem Tag - manchmal muss man für einen solchen Musikgenuss viel, viel Geld bezahlen. Manchmal hat man auch einfach Glück :-)

Der Sonntag hielt ebenfalls eine sehr interessante Erfahrung für uns bereit: Das KYDEP (Kumbo Youth Development and Environmental Protection) Treffen.
Klee - uns gibt's auf der ganzen Welt :-)
Berry und ein paar Freunde von ihm, hatten nach langem Streben eine Jugendentwicklungs- und Umweltorganisation ins Leben gerufen. An diesem Tag waren auch Christina, Luise und ich eingeladen. Es hat mich sehr beeindruckt wie ernst und gewissenhaft die Jugendlichen an ihr Vorhaben herantreten. Von Schriftführer und Präsident, bis zu Besonderer Begrüßung der Gruppe bevor jemand zu sprechen beginnt, diszipliniertes Aufstehen beim Vortragen eines Beitrags und Ideensammlung auf einer Tafel, sowie Gruppen- und Einzelfotos nach dem Treffen, war alles ordentlich durchdacht. Es gab wirklich ein paar sehr gute Ideen und ich habe gespürt, wie viel Motivation die Teilnehmer des Treffens für ihre Sache aufbrachten. Mir war es sehr wichtig, als Eli dort gesehen zu werden und nicht als Weiße, der von Fremden womöglich eher zugehört würde, weil sie aus Europa kommt. Dieses Gefühl finde ich wirklich furchtbar unangenehm und versuche sein Aufkommen zu vermeiden wann immer es geht. Erst fiel es den Gruppenmitgliedern etwas schwer zu verstehen, dass wir ihre Ideen und ihr Engagement zwar sehr, sehr schäzen und weitesgehend bestärken wollen, wir aber trotzdem vor allem Mitglieder einer anderen Organisation sind, die uns überhaupt unsere Zeit hier in Kamerun ermöglicht. So können wir nicht versprechen, die nötige Zeit und Kraft aufbringen zu können um ein fester Teil der Gruppe zu werden - wir wollen keinen im Nachhinein enttäuschen. Letztendlich hatte ich auch hier den Eindruck, dass diese Menschen einen Anfangspunkt gesetzt hatten, der sich von Woche zu Woche fortentwickeln könnte und vielleicht wirklich etwas in Sachen Umweltschutz bewegen würde.
An diesem Nachmittag war wunderschnes Wetter und ich habe mich alleine auf einen längeren Spaziergang gemacht. Außer die fiesen Ameisenstiche, die ich dabei ertragen musste, bleiben mir diese Stunden als absolute Sonnenstunden in Erinnerung :-) In vielerlei Weise...kann man auf den Fotos sehen...

-------------------------------------------------------------------------------------------

After the weekly ghost town Monday I passed the week in a "normal way". On Thursday I went to work with my guitar. The children and the caretakers in the orphanage enjoyed the songs I brought for them and they showed me the songs they sang usually together when visitors are coming.
Until now, I experienced a lot of times when I really enjoyed to show some people - especially children - a new instrument. The concentration and fun they have while treating it carefully and listening to their self-made sound. After work, Christina and I went to the bishops house to fetch our food and living money for the next month. The sister, sitting in front of the offices to welcome the visitors, was very curious about my guitar. Finally, we had a nice jam-session with her and another father who came as well to look for something in the offices.
On Friday I didn't go to work because a "peaceful march for Independence" was going to take place down in town. Later on, we recognized that this "peaceful march" was not as peaceful as it was meant to be. Unfortunately, the were gunshots and teargas in Tobin, the administrative quarter of Kumbo.

Even the ground is beautiful in this light
On Saturday afternoon we had the pleasure to witness a wonderful choir practice of the youth choir in the cathedral. Sometimes people pay a lot of money to listen to such a beautiful music, but other times people can just be lucky and sit in the right church at the right time.

This Sunday, we were invited to a meeting of a group called KYDEP (Kumbo Youth Development and Environmental Protection). The organization was formed by Berry and some of his friends with the aim of raising attention to the protection of the environment and human rights. The meeting took place in a very serious and disciplined way and it became obvious to us, that those people sitting in the room with us, were really motivated to change something in their environment. For Christina, Luise (who took part in the meeting as well) and me, it was very important not to be seen as "Whites" but as ourselves. I don't like the feeling to be seen as someone special, because actually, we are all the same - maybe just with a different shade of brown as a skin color.
Unfortunately, we won't be able to take part in every action of this group, because firstly, we are members of a different organization who brought us to this country. This is the organization we already joined and have to do a lot of things in. But anyway, at the end of the day, I was sure that the Ideas of those youths attending this meeting could lead to a real change and could set a starting point to a further development.
These photos were taken in the afternoon of this day...real sun hours :-)

Panorama photo of our wonderful Trampelpfad











1 Kommentar:

  1. Jetzt habe ich tatsächlich alles gelesen :) Ich finde alles total spannend und bin wirklich etwas traurig solche tollen Erfahrungen nicht auch gemacht zu haben, aber naja, mein Weg war wohl einfach ein anderer.

    Ich finde es tatsächlich echt schade, dass ich jetzt nichts mehr zu lesen habe, aber dann kann ich mich auf den nächsten Beitrag freuen

    Ganz liebe Grüße

    Carsten

    AntwortenLöschen